— Brave, not perfect —

Dass ich als Mami arbeite, ist ein wichtiges Zeichen an meine Tochter.

Claudia Lässer
Claudia Lässer, 46
CPO von blue Sport & blue News
Ein Kind (9 Jahre)

Claudia Lässer verantwortet als CPO blue Sport & News das grösste Sportfernsehen der Schweiz sowie die viert-grösste Online-Plattform in unserem Land. Als sie Mutter wurde, war sie beruflich schon dort, wo sie hinwollte. Gerade deshalb kam eine Pause nicht in Frage. Sie war nach den 14 Wochen Mutterschaftsurlaub zurück im Job. Resilienz, ihre Familie und ein gutes Zeitmanagement halfen ihr dabei, Beruf und Tochter gerecht zu werden. Rückblickend hätte sie nichts anders gemacht – ausser, sich nach der Geburt ein paar Wochen mehr zuhause zu gönnen.

Wie haben Sie die ersten Wochen nach der Geburt Ihrer Tochter erlebt?

Ganz ehrlich, die waren eine Grenzerfahrung. Gerade am Anfang ist man als Mama extrem gefordert – nervlich und körperlich. Und das zieht sich mehr oder weniger über die ersten drei Lebensjahre deines Kindes hin. Ich bin nach 14 Wochen wieder zur Arbeit gegangen. Das hatte ich so geplant. Aber das war anstrengend: Stillen, Arbeiten und wichtige Zeit mit meinem Kind zu verbringen. Heute würde ich mir ein paar Wochen mehr zuhause erlauben. 

Warum haben Sie sich entschlossen, direkt wieder zu arbeiten?

Meine Aufgabe als Führungsperson und Medienmanagerin macht mir grosse Freude. Ich bin mit viel Leidenschaft dabei. Es war deshalb keine Option, erst mal Vollzeit-Mama zu werden. Ich sehe das auch als wichtiges Zeichen an meine Tochter. Sie erlebt eine Mami, die vorlebt, dass es gut funktionieren kann, Familie und Beruf zu vereinen.

Wie ist Ihnen das gelungen? 

Ich habe relativ schnell einen Weg gefunden, der es mir erleichtert hat, diese Balance zwischen beidem zu finden: Achtsamkeit- ganz da zu sein, wo ich jeweils bin. Das heisst, ich konzentriere mich auf die Situation und den Ort, an dem ich bin. Auch auf die Menschen, die mit mir dort sind und die Aufgaben, die ich dort habe. Wenn ich arbeite, liegt mein ganzer Fokus darauf. Bin ich mit meiner Tochter zusammen, gilt meine ganze Aufmerksamkeit ihr. Ich versuche keinen Spagat. So habe ich letztlich auch nie das Gefühl gehabt, dass meine Tochter zu kurz kommt – und sie hat mir auch nie das Gefühl gegeben. Ich glaube, dass man aber auch eine gewisse Resilienz mitbringen muss. Damit meine ich auf sich selbst zu schauen und gut zu spüren, was man als Mama und Frau braucht und was einem gut tut. Die Ich-Zeit kommt oft zu kurz. Man ist nicht nur Mutter, Partnerin und Chefin, sondern eine Frau mit Bedürfnissen, die auch Platz haben sollen in dieser Phase des Lebens. Es hilft, wenn man für sich Tools findet, die einem Kraft und Energie geben. 

Haben Sie Ihre Tools gefunden?

Ich habe immer viel Sport gemacht und regelmässig meditiert. Das hat mir sehr geholfen. Ich konnte beides gut in meinen Alltag integrieren. Dadurch, dass ich darauf geachtet habe, mir diese Zeit für mich selbst einzuplanen, habe ich auch die fordernde Anfangszeit mit wenig Schlaf gut meistern können. Das habe ich mir bis heute beibehalten, auch, wenn meine Tochter inzwischen fast 10 Jahre alt ist.  

Haben Sie als Familie auch solche Tools oder Rituale?

Ja. Wir haben sogar sehr viele Rituale. Ich war früher Lehrerin und weiss aus Erfahrung, dass Strukturen und bekannte Ab-läufe hilfreich für Kinder sein können. Dazu gehören für mich vor allem die Rituale, die meine Tochter und ich haben. Wir lesen am Abend immer eine Geschichte. Früher habe ich vorgelesen, heute liest sie oft. Abends haben wir einen festen Ablauf, wenn wir ins Bett gehen. Morgens haben wir Kuschel-Zeit gemeinsam. Das sind unsere 15 Minuten, nachdem der Wecker geklingelt hat. Neben dem Wochenende ist der Freitagnachmittag Mama-Tochter Zeit. Da basteln wir viel oder unternehmen etwas. Rituale geben Sicherheit und stärken damit das Selbst-vertrauen der Kinder. Gerade, weil ich nicht immer da bin, möchte ich, dass meine Tochter weiss, dass sie sich auf eine klare und verlässliche Struktur im Schul-Alltag verlassen kann. Und dazu zählt übrigens auch mein Umgang mit dem Handy. Das ist etwas, das ich zum Thema «Achtsamkeit» zähle. Am Freitagnachmittag und am Wochenende lege ich das Handy weg und bin nur in Notfällen erreichbar. Meine Tochter erinnert mich daran, wenn ich mich nicht daranhalte.

Welche Rolle spielen gute Betreuungsangebote für Sie und Ihre Familie?

Meine Eltern waren immer eine sehr grosse Unterstützung für mich und haben mir mit der Betreuung geholfen. Nach dem Tod meines Vaters vor einigen Jahren ist meine Mutter auch jetzt immer für uns da. Ich habe mich zudem früh für das Montessori-Schul-System entschieden. Ich schätze sehr daran, dass die Kinder dort durchgehend von Pädagoginnen und Pädagogen betreut werden – und zwar den ganzen Tag über. Für mich war  das eine grosse Erleichterung. Es fehlt in der Schweiz einfach an Angeboten, die eine gute Tagesstruktur für die Kinder bieten. Da gibt es noch sehr viel Luft nach oben. Man sollte sein Kind in dem guten Wissen in die Betreuung geben können, dass es den ganzen Tag über bestens betreut wird. Dass die Betreuungskosten hier sehr hoch sind, kommt erschwerend hinzu. Es kann nicht sein, dass das, was ich verdiene, direkt wieder vollständig in die Kinderbetreuung fliesst.

Welche Veränderung würden Sie sich hier wünschen?

Dass Frauen in Bezug auf die Kosten für die Kinderbetreuung mehr Unterstützung erfahren. Kinderbetreuung soll nicht per se kostenfrei sein. Aber gerade auch Frauen, die erst mal mit einem kleinen Pensum zurück in den Job kommen wollen, befinden sich in einer schwierigen Situation. Dann wägt man Kosten und Nutzen natürlich sehr bewusst gegeneinander ab. Möchte man wirklich sein ganzes Gehalt für die Betreuung ausgeben?

Wie wichtig ist die Unterstützung junger Familien durch den Arbeitgeber?

Ich finde es essenziell, dass der Arbeitgeber sich der Herausforderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bewusst ist. Junge Familien brauchen Unterstützung auch von dieser Seite. Es sollte Möglichkeiten geben, das Arbeitspensum zu reduzieren, wie ich es gemacht habe. Wichtig ist auch die Einsicht, dass dieses Thema nicht nur die Mütter, sondern auch die Väter betrifft. Ich habe einige Papas in meinem Team. Für die ist das heute ein genauso wichtiges Thema wie für die Mamas. 

Welchen Rat haben Sie für junge Mütter?

Macht Euch mit Eurem Partner vor dem Elternwerden ernsthaft Gedanken darüber, welche Veränderungen man als Familie erlebt. Beantwortet Euch die Frage, was ein Kind für Euch als Paar und als Person bedeutet. Wer übernimmt wie viel Verantwortung für die Kinderbetreuung, wenn das Kind da ist?  Habe ich familiäre Unterstützung? Welche Folgen haben meine Entscheidung pro oder contra Berufstätigkeit als Mutter auf lange Sicht für mich? Wer heutzutage mehrere Jahre aus dem Beruf geht, wird es wahrscheinlich schwierig haben, wieder zurückzukehren. Man sollte ruhig 10 Jahre in die Zukunft blicken und sich fragen, in welcher Konstellation man als Frau und nicht nur als Mutter glücklich ist. Unterstützung ist wahnsinnig wichtig: Als Familie und zwischen Mann und Frau. Darin liegt viel Potenzial. Indem man sich gegenseitig aushilft, kann man anderen den Druck nehmen. 

«Die Ich-Zeit kommt oft zu kurz. Man ist nicht nur Mutter, Partnerin und Chefin, sondern eine Frau mit Bedürfnissen, die auch Platz haben sollen in dieser Phase des Lebens. Es hilft, wenn man für
sich Tools findet, die einem Kraft und Energie geben.»

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