— Brave, not perfect —

Habt Mut, nicht immer perfekt zu sein.

Sara Hürlimann
Sara Hürlimann, 51
Dr. med. dent., Gründerin und Unternehmerin
Fünf Kinder (18, 17, Zwillinge 15 Jahre und 10 Jahre)

Die Unternehmerin Sara Hürlimann wuchs in Schweden auf. Schon als Kind lernte sie, keinen Unterschied bei der Care-Arbeit zu machen. Ihre Eltern lebten ihr eine gleichberechtigte Beziehung auf Augenhöhe vor. Das hat ihr Rollenverständnis geprägt. Gemeinsam mit ihrem Schweizer Mann gründete und führt sie mehrere Firmen. Das Paar kümmert sich gemeinsam um die fünf Kinder. Ein Gespräch über Herausforderungen und Ansprüche, die man an sich selbst stellt – und über den besten Babybrei.

Frau Hürlimann, waren Sie jemals mit der Entscheidung Beruf oder Mutter konfrontiert?

Nein. Ich empfinde es auch als merkwürdig, dass man das als Frau so oft gefragt wird. Es ist heute gut möglich, beides zu vereinen oder sich eben für eines zu entscheiden. Sich um die eigenen Kinder zu kümmern, das Familienleben und den Haushalt zu organisieren ist auch ein zeitfüllender Beruf – fast, wie eine kleine Firma führen. So gesehen habe ich mich für zwei Jobs entschieden: Einen bei uns zuhause und einen in unseren Unternehmen.

Eine sehr herausfordernde Wahl, oder?

Je älter die Kinder werden, desto leichter ist es natürlich, beides in Einklang zu bringen. Ich bin über die Jahre gelassener geworden. Meine Ansprüche an mich selbst haben sich verändert. Ich bin nachsichtiger mir selbst gegenüber. Das wünsche ich auch jungen Müttern: Habt den Mut, nicht immer perfekt zu sein.

Heisst das, Sie verzeihen sich mehr?

Absolut. Es gibt zum Beispiel ein Erlebnis, das das gut aufzeigt. Als die Kinder noch ganz klein waren, habe ich mich natürlich mit anderen Müttern verglichen. Eine wichtige Frage war da: Wer macht den besten Brei? Ich war es nicht, denn ich habe fertige Babynahrung im Supermarkt gekauft. Das war mir am Anfang sehr unangenehm. Vielleicht kann ich sogar sagen, dass es mir peinlich war. Es hat gedauert, bis sich dieses Gefühl gelegt hat. Heute denke ich: Das war eine wirklich vernünftige und effiziente Art.

Hätten Sie dieses Gefühl auch in Ihrer Heimat Schweden gehabt?

Ich denke nicht. Dort stellt sich die Frage gar nicht, ob ein Elternteil zuhause bleibt, denn in den allermeisten Fällen müssen beide arbeiten. Ich empfinde die Situation hier in der Schweiz als grosses Privileg: Entscheiden zu können, was einem wichtig ist und entsprechend handeln zu können. Aber es ist auch ein Dilemma, das ich selbst erlebt habe. Ein Teil von mir möchte immer bei den Kindern sein, ein anderer Teil möchte sich selbst als Mensch und Frau verwirklichen. Ich bin der Überzeugung, dass nicht nur Präsenz allein zählt, sondern Kinder auch merken, wie sich die Mutter fühlt. Ich würde mich nicht verstellen wollen. Man ist auch ein Vorbild für die Kinder. Dabei Gefühle und Stimmungen zu verbergen, ist unsinnig.

Sie und Ihr Mann arbeiten zusammen, haben nicht nur die Familie, sondern auch viele Unternehmen gegründet und erfolgreich am Markt etabliert. Was braucht es, um sich als Paar in den verschiedenen Bereichen des Lebens so gut zu ergänzen?

Für mich ist das eine der wichtigsten Entscheidungen, die man in seinem Leben trifft: Mit welchem Menschen möchte ich meinen Weg gemeinsam gehen und Kinder haben? Eine Familie ist kein Projekt der Mutter, sondern von beiden – von mir und meinem Mann. Wir haben zusammen Kinder, wir arbeiten zusammen, wir führen gemeinsam Unternehmen. Natürlich haben wir eine Arbeitsteilung. Er macht zum Beispiel alltägliche Sachen, die ich langweilig finde. Ich organisiere dafür Schul- und Freizeitaktivitäten unserer Kinder. 

Gibt es auch Sachen, die sich nicht aufteilen lassen?

Zuneigung und Aufmerksamkeit. Die erwarten Kinder zurecht von Mutter und Vater. Wenn es darum geht, hatte ich früher ein bisschen schneller ein schlechtes Gewissen gegenüber unseren Kindern als mein Mann. Ich glaube, da blitzte selten doch noch einmal dieses traditionelle Rollenverständnis auf. Aber inzwischen sind unsere Kinder schon grösser, so dass eher ich mir manchmal ihre Aufmerksamkeit wünsche. (lacht)

Haben Sie genug Zeit für sich selbst?

Keine Frage, diese «Me Time» leidet, wenn man berufstätig ist und eine Familie hat. Aber ich finde, dass diese Phase recht kurz ist. Sie dauert solange die Kinder noch sehr klein sind. Dort ist die Belastung am grössten und man findet kaum Zeit für sich selbst. Aber das vergeht schnell, auch dank guter Betreuungsangeboten. Mir ist die Zeit mit den Kindern wichtig. Wir frühstücken jeden Tag zusammen und versuchen, auch abends gemeinsam am Tisch zu sitzen und den Tag zu besprechen. Wenn die Kinder aus dem Haus sind, werde ich wieder sehr viel Zeit für mich haben und Dinge nachholen, die aktuell zu kurz kommen. Ich werde dann wieder viel lesen.

Wie blicken Sie generell auf die Situation berufstätiger Mütter in der Schweiz?

Für mich ist es ein Privileg, hier leben zu dürfen. Unsere Kinder sind hier schon in ihrer zweiten Woche alleine von zuhause zum Kindergarten gegangen. Das ist nicht überall möglich. Auch nicht die Wahl zu haben, ob man Kinder möchte oder nicht und ob man als Elternteil arbeiten möchte oder nicht. Darum ist es für mich besonders wichtig, dass wir unseren Kindern vermitteln, unabhängig vom Geschlecht selbst entscheiden zu dürfen, was für sie das Richtige ist.

Sind Sie und Ihr Mann diesbezüglich Vorbilder für Ihre Kinder?

Vorbilder zu haben ist wichtig. Sie prägen und motivieren einen. Ich hoffe, unsere Kinder sehen uns als Vorbilder. Besonders junge Menschen nehmen für ihr späteres Leben das mit, was sie von den eigenen Eltern vorgelebt bekommen haben. Wenn man vermittelt bekommt, dass man mit Kindern nicht arbeiten kann, dann bleibt man zuhause. 

Haben Sie jemals erlebt, dass andere über Ihre Wahl geurteilt haben, Unternehmerin und Mutter zu sein?

Ja, aber ich kann glücklicherweise gut ausblenden, was ich nicht hören will. Leider gibt es immer noch das Vorurteil, man könne nicht beruflich erfolgreich und eine gute Mutter zur gleichen Zeit sein. Von den Vorwürfen anderer sollte man sich nicht irritieren lassen. Je weniger man auf so etwas hört, desto zufriedener ist man im Leben.

Was wünschen Sie sich für Ihre Töchter, wenn sie gross sind?

Dass sie, genauso wie die Jungs, eine Aufgabe für sich finden, die sie gerne machen. Man muss nicht seine Passion finden, das finde ich übertrieben. Aber man hat die Chance wirklich gut darin zu werden, wenn man etwas gerne macht. Das ist eine gute Basis, um nicht finanziell abhängig von anderen zu sein und auf eigenen Beinen zu stehen. Das ist aus meiner Sicht extrem wichtig – vor allem für die eigene Zufriedenheit.

«Sich um die eigenen Kinder zu kümmern, das Familienleben und den Haushalt zu organisieren,
ist auch ein zeitfüllender Beruf – fast, wie eine kleine Firma führen. So gesehen habe ich mich für zwei Jobs entschieden: Einen bei uns zuhause und einen in unseren Unternehmen.»

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